Happy Birthday, Riester-Rente?

Vor 20 Jahren wurde die Riester-Rente geboren, um Einschnitte bei der gesetzlichen Altersvorsorge zu kompensieren. Namensgeber war der damalige Arbeitsminister Walter Riester

Eigentlich hatte alles so schön angefangen. Geldgeschenke vom Staat und außerdem ohne Risiko an der Börse dabei sein. So präsentierte sich die Riester-Rente, als sie vor 20 Jahren an den Start ging. Doch zu ihrem Jubiläum hagelt es Kritik. Die Riester-Rente sei zu teuer und zu bürokratisch. Die staatliche Förderung würde mehr oder weniger für die Kosten drauf- gehen. Versicherte, so ein häufiger Vorwurf, müssten 100 Jahre und älter wer- den, um ihr Geld zurückzubekommen. Deshalb forderte SPD-Finanzexpertin Cansel Kiziltepe Mitte Mai, dass die Ries- ter-Versicherung mit einem Bestands- schutz für bestehende Verträge auslaufen solle. Dass ausgerechnet die SPD das Ende der Riester-Rente fordert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn seinerzeit hatte der damalige Bundesarbeitsminis- ter Walter Riester (SPD) diese Variante der Altersvorsorge aus der Taufe gehoben. Mit diesem Schachzug hatte die damals von Gerhard Schröder geführte rot-grüne Bundesregierung versucht, die Absenlichen Rentenversicherung abzufedern. Die aktuellen Absetzbewegungen dürften viele verunsichern, die einst mit einer Kombination aus Zulagen und Steuervorteilen in einen Riester-Vertrag gelockt wurden.

Ist die Riester-Rente ein Flop? Auf diese Frage gibt es kein Ja oder Nein als Antwort, denn in der Praxis hängt es meist von der individuellen Fallkonstellation (Laufzeit des Vertrages, Förderquote usw.) ab, ob und wie sich so ein Vertrag lohnt. Hinzu kommt, dass ältere Policen teilweise noch traumhafte Konditionen haben. Klassische Riester-Versicherungsverträge, die 2002 oder 2003 abgeschlossen wurden, bieten z. B. noch eine garantierte Verzinsung des Sparanteils der Beitragszahlungen von 3,25 Prozent. Wer sich zwischen 2004 und 2006 für eine klassische Riester-Rentenversicherung entschieden hatte, kann sich immerhin noch über eine garantierte Verzinsung von 2,75 Prozent freuen.

Eine Stornierung eines solchen Vertrages wäre daher nicht ratsam. Auch ein Wechsel des Anbieters sollte in diesen Fällen vermieden werden. Denn neben den Kosten für einen Wechsel würde der neue Anbieter heute gerade einmal noch 0,9 Prozent Zinsen garantieren.

Nettorendite Doch was ist unter dem Strich bei so einem Riester-Vertrag bisher über die Jahre herausgekommen? Das In- stitut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hat 57 000 reale Riester-Verträge ausgewertet, die bis Ende 2020 zur Aus- zahlung kamen. Auf dieser Basis beziffert das IVFP die durchschnittliche Netto- rendite für einen Riester-Vertrag (nach Kosten, Förderung und Besteuerung) mit 2,5 Prozent p. a. Verglichen mit Renditen, die andere risikofreie Geldanlagen, wie etwa Bundesanleihen oder Sparbücher, abwerfen, ist das durchaus beachtlich.

Höhe der Rente So weit, so gut. Doch was bedeutet das mit Blick auf die Höhe einer Riester-Rente im Einzelfall? »Diese Frage ist menschlich verständlich, lässt sich aber nicht ohne Weiteres beant- worten«, erklärt IVFP-Geschäftsführer Professor Michael Hauer. »Denn die Höhe jeder Renten- oder Lebensversicherung«, so Hauer, »hängt natürlich auch von den gezahlten Beiträgen und dem Zeit- raum ab, in dem Beiträge geflossen sind. Hinzu kommt, dass viele Riester-Sparer die Möglichkeit nutzen, sich zu Ren-tenbeginn bis zu 30 Prozent des angespar- ten Kapitals als Einmalbetrag auszahlen zu lassen.«

Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten, sieht das anders. »Die Versicherer kalkulieren im- mer öfter mit völlig überhöhten Lebenser- wartungen von teilweise 110 oder sogar 120 Jahren. Dadurch sinkt die Renten- höhe, gleichzeitig steigen die Risikoüber- schüsse der Versicherer. Es ist eben ein Unterschied, ob Sie das über die Jahre erwirtschaftete Kapital über 30 oder über 50 Jahre verteilt auszahlen.«

Ab wann ist man im Plus? Betrachtet man jedoch lediglich die selbst aufgebrachten Beiträge eines Riester- Sparers, also ohne Zulagen, ergibt sich wieder ein anderes Bild. »Setzt man das Vermögen, das mit einem solchen Vertrag erwirtschaftet wurde, ins Verhältnis zur Lebenserwartung eines Riester-Sparers, erreicht er nach etwa 14 bis 16 Jahren den sogenannten Break-even«, erklärt Michael Hauer. »Das heißt, ab diesem Zeit- punkt übersteigen seine Renten, die er erhält, die Eigenbeiträge, die er selbst in seinen Vertrag gezahlt hat. Wer also z. B. mit 66 in Rente geht, muss durchschnitt- lich 80 bzw. 82 Jahre alt werden, damit er mit seinem Vertrag ein Plus macht.«

Kosten Aber was ist mit den Kosten? Ist Riester zu teuer? Dieser Kritikpunkt steht bereits seit Langem im Raum. Doch verlangen die Versicherer tatsächlich höhere Kosten im Vergleich zu privaten Rentenversicherungen? »Hierfür haben wir beispielhaft in einem Musterfall für 14 Versicherer die Effektivkosten klassischer Rentenversicherungen, sowohl für Riester-Verträge als auch für Produkte der dritten Schicht, berechnet«, erklärt Hauer. »Im Mittel unterscheiden sich die Effektivkosten beider Produktgattungen kaum, das heißt, die Versicherungsunternehmen erheben in der Regel keine zusätzlichen Kosten für Riester-Verträge.« Axel Kleinlein gibt sich nicht beeindruckt. »Das zeigt doch nur, dass private Rentenversicherungen mittlerweile ebenfalls völlig überteuert und auf keinen Fall zu empfehlen sind.«

Teure Riester-Bürokratie
Was bei Riester jedoch kostenmäßig zu Buche schlägt, ist der Aufwand, den die staatlichen Vorgaben bei der Verwaltung der Zulagen verursachen. Hier geht es schließlich um viel Geld, das der Staat als Zulagen dazugibt. »Jedes Jahr gibt es 900 000 Zulagenrückforderungen, weil die Anspruchsvoraussetzungen nicht eingehalten wurden«, kritisiert Peter Schwark, Geschäftsführer des Gesamtver- bandes der Deutschen Versicherungswirt- schaft (GDV). »Unser Vorschlag: Der Staat sollte künftig erst prüfen und dann zahlen. Damit würde man dieses Durchei- nander bei den Zulagen vermeiden und die damit verbundenen Kosten um bis zu 90 Prozent senken.«

In der Zins-Falle Mit einer durchschnittlichen Nettorendite von drei Prozent hat sich die Riester-Rente als risiko- freie Geldanlage bislang gut geschlagen. Doch die Tendenz ist negativ. So betrug die Net- torendite einer Riester- Rente 2018 noch 3,4 Pro- zent. Zwei Jahre später waren es nur noch 2,5 Prozent. »Das eigentliche Problem der Altersvorsorge ist das niedrige Zinsniveau«, resümiert Schwark. Indirekt bestätigen das selbst Kritiker wie der SPD-Finanzexperte Ralf Kapschak. Er meinte, man müsse zur Ehrenrettung von Riester sagen, dass es damals ein anderes Zinsniveau gab. Verbraucherschützer Axel Kleinlein widerspricht: »Andersherum wird ein Schuh daraus. Die Versicherer haben ihre Tarife mit Zinsen kalkuliert, die es vor 20 Jahren gab. Und sie haben keine Vor- sorge getroffen, was passiert, wenn sich der Wind einmal dreht.« Bei klassischen Riester-Versicherungen fließt ein großer Teil der gezahlten Beiträge und Zulagen in festverzinsliche Wertpapiere. »Das bleibt nicht ohne Folgen für die Renditen, die mit Riester-Verträgen erzielt werden«, warnt Schwark. Durch den Zwang zu unverändert hohen Garantien werde es für die Branche immer schwerer, chancenorientiert anzulegen. »Die niedrigen Zinsen verhindern, dass die Versicherer einen größeren Teil der Kundengelder in renditestarke Anlagen fließen lassen können, die mehr Risiko bedeuten.«

Vor diesem Hintergrund wundert es dann auch nicht, dass ein namhafter Anbieter mit etwa 650 000 Bestandskun- den, die sich in der Vergangenheit für ein Riester-Produkt entschieden hatten, sein Riester-Neugeschäft zum 1. Juli einge- stellt hat. Die vollständige Beitragsga- rantie dieser Produkte, so heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens, erweise sich im Umfeld anhaltender Niedrig- zinsen zunehmend als Bürde für Vorsor- gesparer, da das Kapital fast ausschließ- lich in konservative und negativ rentie- rende Anleihen investiert werden muss. Es bliebe kein Spielraum mehr fürchancenreiche und substanzwertbasierte Aktienanlagen. Bestandsverträge würden weitergeführt.

Das ist kein Einzelfall. Auch bei den meisten anderen Anbietern dürfte die Stimmung ähnlich sein. Viele hatten ihr Neugeschäft bei Riester-Verträgen sogar bereits vorher eingestellt. Was können Kunden jetzt tun? Wer mit seinem Vertrag nicht zufrieden ist, sollte auf keinen Fall kündigen. Denn in diesem Fall müsste man alle Zulagen und Steuervorteile, die man bis dahin er- halten hat, zurückzahlen. Wer angesichts der derzeitigen Diskussion das Vertrauen in seinen Vertrag verloren hat, kann seine Police zumindest beitragsfrei stellen. Auf diese Weise zahlt man nicht länger, erhält aber auch keine weiteren Geldgeschenke. Um sich ein klares Bild zu verschaffen, sollte man versuchen, auch bei Riester zu differenzieren: Klassische Versicherungen werfen auf lange Sicht meist eine gerin- gere Rente ab als z. B. fondsgebundene Versicherungen. Zwar garantiert der Versicherer auch bei dieser Variante die Bruttobeiträge zu Rentenbeginn, doch ein Teil der Beiträge wird in einen oder mehrere Investmentfonds angelegt. Damit kann der Riester-Sparer ohne Risiko an den Renditechancen partizipieren, die die Aktienbörse bietet. Doch auch hier gibt es unterschiedliche Varianten. So fließen bei einigen Anbietern nicht die Beiträge, sondern nur die Überschüsse in Fonds.

Beim IVFP geht man langfristig von einer Rendite nach Kapitalanlagekosten für fondsgebundene Riester-Policen von vier Prozent aus. Was das für Sparer bedeuten kann, die sich für eine fondsgebundene Riester-Rente entscheiden, zeigt die Beispielrechnung auf der Vorseite oben links. Was können Einsteiger tun? Prüfen Sie anhand Ihrer familiären Situ- ation, auf wie viel geschenktes Geld Sie verzichten, wenn Sie keinen Vertrag ab- schließen. Als Faustregel gilt: je geringer Ihr Verdienst und je höher die Zahl der Kinder, desto interessanter ist Riester. Im Netz finden Sie dazu Rechner, mit denen Sie verschiedene Fragestellungen durchkalkulieren können. So kann etwa mit dem Riester-Rechner auf ihre-vorsorge.de anhand der Ausgangsdaten (Gehalt, Zahl der Kinder usw.) ermittelt wer- den, wie viel man selbst als Beitragszahlung aufbringen muss, um die maximalen Zulagen zu bekommen. Man kann aber auch berechnen, wie hoch die Zulagen ausfallen, wenn man sich – je nach seinem monatlichen Budget – ein bestimmtes Limit für seine jährlichen Sparleistungen vorgibt. Wichtiger als Zulagen und Steuervorteile ist der Zeithorizont, den man für sei- ne Altersvorsorge hat. Bei 20 Jahren und mehr können fondsgebundene Policen und Riester-Fonds mit hohen Aktienquoten in der Regel hohe Renditen erzielen.

Welche Bedeutung der Zeithorizont hier hat, zeigt exemplarisch die Bilanz, die ein großer Investmentfonds-Anbieter aktuell für sein Riester-Geschäft zieht. Bei einem Riester-Vermögen von 23,39 Milli- arden Euro, das über 20 Jahre aufgebaut wurde, entfallen allein 13 Milliarden Euro auf den erzielten Wertzuwachs an der Börse und erhaltene Zulagen.

Wenn Sie wissen wollen, ob ein Riester-Vertrag auch für Sie passen würde, vereinbaren Sie einfach ein Beratungsgespräch mit Ihrem Finanzberater.

 

Guter Rat Finance, powered by Broza Finanzpartner

zurück zur News-Übersicht