Für viele ist die Rentenversicherung ein Automatismus. Doch bis zum Ruhestand drohen mitunter Missverständnisse, die man rechtzeitig mit einem guten Berater anpacken sollte.
Die meisten wissen aufgrund der jährlichen Renteninformation, wie hoch ihre spä tere gesetzliche Rente einmal ausfallen wird. Doch wie viel kommt davon tatsächlich auf dem Konto an? Wie viel Euro muss man auf ein Rentenkonto einzahlen, um später einmal 100 Euro im Monat herauszubekommen? Und überhaupt, wie funktioniert das mit der Betriebsrente? Vorurteile Bei all diesen Fragen drohen wir manchmal Opfer unserer Vorurteile zu werden. Und das kann am Ende teuer werden, denn nur wer seine Möglichkeiten genau einschätzt, kann optimal fürs Alter vorsorgen. Das gilt für die staatliche Rente genauso wie für die private, für RiesterVerträge ebenso wie für die Betriebsrente. Höchste Zeit also, die größten Missverständnisse und Irrtümer auszuräumen.
Privat, Riester & Co.
1 Überraschung bei der Betriebsrente
Bei der Betriebsrente kann nichts schiefgehen? Von wegen. Zwar spart man in der Ansparphase Sozialversicherungsbeiträge. Allerdings zwangsläufig nur den Arbeitnehmeranteil. In der Aus zahlungsphase wird aber zusätzlich der Arbeitgeberanteil fällig. Das macht zusammen etwa 19 Prozent für gesetzliche Kranken und Pflegeversicherung. Einmal Beiträge gespart, zweimal abgezogen, so haben sich viele den Deal mit der Betriebsrente nicht vorgestellt.
2 Geld liegen lassen
Riester ist zu teuer. Vorsicht. Dieses Narrativ führt dazu, dass viele ihre Zulagen und Steuervorteile liegen lassen. Die Steuervorteile gibt es allerdings nicht für umsonst, denn eine Riester-Rente muss im Alter voll versteuert werden. Immer-hin: Da dann die Einkünfte im Vergleich zum Berufsleben meistens geringer sind, ist auch der Steuersatz niedriger.
3 Riester vorzeitig kündigen
Riester bringt nichts. Dieser Ansicht sind viele unzufriedene Kunden, die ihren Vertrag vorzeitig kündigen wollen. Das ist aber keine gute Idee. Dann müssten sie nämlich alle bis dahin erhaltenen Zulagen und Steuervorteile zurückzahlen, was den Groll gegenüber Riester eher noch steigern dürfte. Besser ist es, den Vertrag lediglich beitragsfrei zu stellen.
4 Risiko Inflation
Die Inflation ist niedrig und hat kaum Auswirkungen auf meine spätere Rente. So beruhigt sich mancher mit Blick auf die offizielle Inflationsrate von 0,5 Prozent im vergangenen Jahr. Berechnet man die Inflationsrate dagegen nach der Methode des Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedman, waren es im vergangenen Jahr 12,91 Prozent (Geldmengenwachstum von 7,91 Prozent minus Wirtschaftswachstum von minus fünf Prozent). Eine garantierte monatliche Rente von 1 000 Euro hätte bei 0,5 Prozent nach 20 Jah-ren eine Kaufkraft von 905,06 Euro. Bei 12,91 Prozent Inflation wären es nur noch magere 88,18 Euro.
5 Zu spät anfangen
Viele verschieben das Thema mit der Begründung: Das mache ich später. Doch das wird teuer, denn ein Altersvorsorgevertrag baut sich entweder mit regelmäßigen kleinen Beträgen über eine lange Zeit über den Zinseszinseffekt auf oder mit viel Geld in kurzer Zeit.
6 Absicherung der Arbeitskraft
Es wird schon nichts passieren. Nach diesem Motto finanziert mancher selbst eine Immobilie als Altersvorsorge auf Kredit. Und spart sich dabei den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Das kann schwer ins Auge gehen. Auch wenn das Erwerbsminderungsrisiko in der gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckt ist, sollte man hier zusätzlich privat vorsorgen.
7 Zuerst Schulden abbauen
Die Differenz von Kredit- und Anlagezins wird oft unterschätzt. Es ist besser, erst Darlehen zurückzuführen und dann Sparverträge abzuschließen, weil der Darlehenszins meist höher ist als der Guthabenzins.
8 Renditekiller Kosten
Bei den Kosten für meine private Rentenversicherung oder meinen Fondssparplan geht es doch nur um wenige Prozent. Die machen den Kohl nicht fett, heißt es oft. Eine gute Beratung – gerade bei diesem Thema – kann Geld wert sein.
9 Wie lange reicht mein Vermögen?
Ich habe 100 000 Euro auf der hohen Kante. Da brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Ziemlich riskant. Wenn Sie das Geld beispielsweise ganz sicher auf einem mit 0,3 Prozent verzinsten Festgeldkonto parken, können Sie 20 Jahre lang monatlich 429,22 Euro entnehmen, bis dieses Vermögen aufgebraucht ist.
GESETZLICHE RENTE
10 Renteneintritt mit 45 Beitragsjahren
Ich bin 59 und habe 45 Jahre lang in die gesetzliche Rente eingezahlt und kann jetzt abschlagsfrei in Rente gehen. Das stimmt so nicht. Wer die 45 Beitragsjahre zusammenhat, kann frühestens ab dem 63. Lebensjahr ohne Abschläge in Rente gehen. Meistens sogar später, denn der Gesetzgeber hebt das Alter für diese Rente stufenweise auf das 65. Lebensjahr an.
11 Die Rente ist steuerfrei
Das ist falsch: Seit 2005 muss die gesetzliche Rente anteilig versteuert werden. Brutto ist also nicht gleich netto. Wer 2021 in Rente geht, muss 81 Pro zent seiner gesetzlichen Rente versteuern. Da ist der Grundfreibetrag von derzeit 9 744 Euro/19 488 Euro (ledig/verheiratet) schnell überschritten.
12 Mein Rentenniveau beträgt 48 Prozent
Mit Blick auf ihre künftige Rente glauben viele, dass die später 48 Prozent ihres letzten Gehalts beträgt. Das ist falsch: Die 48 Prozent, von denen immer wieder die Rede ist, beschreiben lediglich das durchschnittliche Rentenniveau. Dieser Wert gibt das Verhältnis zwischen der Höhe einer Rente (bei 45 Beitragsjahren bei einem durchschnittlichen Einkommen) und dem gegenwärtig durchschnittlichen Einkommen eines Arbeitnehmers an. Das Rentenniveau wird als Nettowert vor Steuern ausgewiesen (Bruttorente minus Kranken und Pflegeversicherung).
13 Die gesetzliche Rente lohnt nicht
Viele glauben, dass sich die gesetzliche Rente nicht lohnt. Eine private Rentenversicherung sei effektiver. Tatsächlich müssen für eine monatliche Rente von 100 Euro bei einem privaten Rentenversicherer schätzungsweise 30 000 bis 35 000 Euro auf dem Rentenkonto gebucht sein. In der gesetzlichen Rente sind es nach Angaben der Rentenversicherung dagegen nur etwa 26 000 Euro. Wer also vor der Wahl steht, mit einer Einmalzahlung seine Rente im Alter aufzubessern, sollte das bedenken.
14 Kehrseite der bAV
Durch meine Betriebsrente habe ich keine Einbußen bei der gesetzlichen Rente. Falsch. Wer durch Bruttogehaltsumwandlung steuer und sozialversicherungsfrei in eine betriebliche Altersversorgung (bAV) einzahlt, der verringert dadurch seine Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung, weil er aufgrund der Beitragsfreiheit weniger Beiträge in die gesetz liche Rentenversicherung zahlt.
15 Unterschied brutto & netto
Die gesetzliche Rente reicht. Bei 45 Beitragsjahren mit einem Durchschnittsverdienst würde die Bruttorente ca. 1 540 Euro betragen. Dieses Geld, das vergessen viele, wird jedoch nicht ausgezahlt. Rund zwölf Prozent werden für Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen, sodass nur etwa 1 355 Euro auf dem Konto des Rentners landen. Je nach Renteneintrittsalter fallen unter Umständen auch noch Steuern an.
16 Renteninfo im Aktenordner
Der Papierkram geht mir auf die Nerven. Jedes Jahr verschickt die Deutsche Rentenversicherung die Renteninformationen. Nach 60 Beitragsmonaten erhält der Versicherte das erste Schreiben. Meist landet der Brief säuberlich abgeheftet im Aktenordner. Dort ist er gut aufgehoben, doch man sollte auf die Botschaft achten. Denn die Berechnungen und Prognosen erfolgen unter der Voraussetzung »ceteris paribus«. Sobald sich jedoch ein Ver sicherter im Verlauf der Zeit etwa entschließt, z. B. nur noch 25 Wochenstunden zu arbeiten, wirkt sich das erheblich auf die späteren Rentenansprüche aus.
17 Vorzeitig in Rente
Ich bin 63 und habe 35 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt. Jetzt kann ich also vorzeitig in Rente gehen. Da-durch verringert sich allerdings die Rente, denn man zahlt bis zu vier Jahre weniger in die Rentenversicherung ein. Bei einer Bruttorente von 1 540 Euro bedeutet das 135 Euro weniger. Hinzu kommt ein Abschlag von 0,3 Prozent pro Monat, wenn man früher in Rente geht. Unterm Strich würden so aus 1 540 Euro Brutto-rente etwa 1 070 Euro Nettorente werden.
18 Rentenminderung abfedern
Wer früher in Rente gehen will, der kann die damit verbundenen Rentenminderungen ab einem Alter von 50 Jahren durch freiwillige Zuzahlungen in die Rentenversicherung ausgleichen. Billig ist das nicht. Zum Ausgleich von 200 Euro Rentenminderung müssen etwa 53 000 Euro eingezahlt werden. An die steuerlichen Auswirkungen denkt jedoch oft niemand. Für 2021 können 92 Prozent der Einzahlungen als Sonderausgaben von der Steuer abgesetzt werden. Da-bei ist jedoch der Höchstbetrag zu beachten. Dieser liegt für 2021 bei 25 787 Euro bei Ledigen und 51 574 Euro bei Verheirateten. Diese Beiträge wirken sich mit 92 Prozent steuermindernd aus, also mit höchstens 23 724 Euro/47 448 Euro. Wer darüberliegt, kann seine Zu-zahlungen über mehrere Jahre verteilen.
19 Rentenantrag verschlafen
Vielen glauben, dass die gesetzliche Rente automatisch mit Erreichen des Renteneintrittsalters gezahlt wird. Falsch. Sie müssen einen Rentenantrag stellen. Der sollte mindestens drei Monate vor Renteneintritt gestellt werden.
20 DDR-Zusatzvorsorge FZR greift
Meine Beitragszahlungen in die freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) in der DDR sind futsch. Stimmt nicht. In der DDR gab es eine Rentenversicherungs-pflicht bis zu einem monatlichen Ver-dienst von 600 Ostmark. Darüber hinaus konnten DDR-Bürger in eine FZR Bei träge zahlen. Wer damals höhere Renten bei-träge gezahlt hat, kann sich heute über hö-here Rentenansprüche freuen.
21 Renten steigen automatisch
Die gesetzliche Rente steigt jedes Jahr am 1. Juli. Falsch. Die Rente ist an die Ent-wicklung der Löhne gekoppelt. In diesem Jahr wird es zum Beispiel in den alten Bundesländern voraussichtlich keine Rentenerhöhung geben. In den neuen Bundesländern wird die Rentenerhöhung dagegen minimal ausfallen.
22 Selbstständigkeit als Rentenfalle
Ich mache mich selbstständig. Da zahle ich nicht in die gesetzliche Rente. Ich muss mich auf mein Unternehmen konzentrieren und »unnötige Ausgaben« v ermeiden. Hier droht mit 67 ein böses Erwachen, weil kaum Rentenansprüche angespart wurden.