Geldanlage
Wann ist eine Aktie ein Schnäppchen?
Jeder kennt die alte Kaufmannsregel: “Im Einkauf liegt der Gewinn.” Das gilt auch und vor allem bei Aktien. Doch wann ist eine Aktie eigentlich günstig, und wann ist sie eher teuer?
Die niedrigen Zinsen und die steigende Inflation lassen privaten Haushalten keine Wahl. Einen Teil ihres Geldes sollten sie auch in Aktien investieren. Bis zu diesem Punkt wird es wahrscheinlich kaum Widerspruch geben. Sobald es jedoch konkret wird, stellen sich Fragen.
Gewinn
Eine der zentralen Fragen lautet dabei: Wann ist eine Aktie teuer, und wann ist sie preiswert? Denn egal, ob Sie im Supermarkt einkaufen oder sich für ein neues Auto oder eine Eigentumswohnung interessieren – in jedem Fall dreht sich alles um den Preis. Die VW-Aktie kostet z. B. aktuell knapp 192 Euro. Die Deutsche-Bank- Aktie gibt es schon für 13 Euro. Ist VW also teuer und die Deutsche Bank günstig? Nein. Denn gemessen an den Gewinnen, die die beiden Unternehmen jährlich erzielen, ist die VW-Aktie ein Schnäppchen. Ihr Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) beträgt gerade einmal 5,74. Das heißt, mit den Gewinnen, die das Unternehmen einfährt, ist der Kaufpreis innerhalb von knapp sechs Jahren wieder eingefahren. Die Deutsche Bank hat dagegen ein KGV von 9,5 und ist damit deutlich teurer.
Substanz
Das KGV wird in der Regel mithilfe des Gewinns berechnet, der für das laufende Geschäftsjahr erwartet wird. Die Kennziffer ist allerdings nicht der einzige Maßstab dafür, ob eine Aktie teuer ist. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) ist für Anleger mindestens genauso interessant. Auch hier gilt, je niedriger die Kennziffer ausfällt, desto mehr lohnt es sich, die Aktie näher anzuschauen. Bei VW beträgt das KBV 0,6. Das be-deutet, dass allein das Anlage- und Be-triebsvermögen pro Aktie nach Abzug der Schulden höher ist als der Börsenkurs des Wertpapiers. Würde man das Unternehmen – theoretisch – liquidieren und alle Vermögenswerte verkaufen sowie alle Schulden ausgleichen, würde für den Aktionär noch ein Gewinn übrig bleiben.
Aktienfonds
So weit, so gut. Doch jeder private Anleger ist eigentlich schlecht beraten, in einzelne Aktien zu investieren. Denn das Risiko ist bei einzelnen Aktien für einen durchschnittlichen privaten Anleger viel zu hoch. Selbst erfahrene Fondsmanager – das zeigt z. B. der Fall Wirecard – sind hier vor Fehlgriffen nicht geschützt. Als beliebteste Alternative zu Einzelaktien haben sich preisgünstige ETFs (Exchange Traded Funds) etabliert. Hier kann man sein Geld kostengünstig und breit gestreut in Aktien anlegen. Doch auch bei einem solchen ETF ist es nicht uninteressant, ob das Aktienportfolio teuer ist oder ob man damit unter Umständen ein Schnäppchen macht. Banken geben Kennzahlen wie das KGV oder das KBV für ETFs meist nicht oder nur auf Anfrage an. Darum sind Anleger, die sich für einen ETF interessieren, gut beraten, einen Blick auf die Internetseite des ETF-Anbieters zu werfen. Für den Xtrackers MSCI World UCITS ETF 1C (ISIN IE00BJ0KDQ92), mit dem ein Anleger in 1 545 Aktien weltweit investiert ist, weist die DWS International, Xtrackers Team ein KGV von 22,04 aus. Der Wettbewerber iShares gibt für seinen iShares MSCI World UCITS ETF (ISIN IE00B0M62Q58) mit 1 566 Aktien im Portfolio ein KGV von 24,03 an.
Shiller-KGV
Das KGV ist sicherlich die bekannteste Kennziffer, die hilft, den Blick auf eine Aktie zu objektivieren. Aber sie ist auch kein Allheilmittel. Denn vor allem der Gewinn eines Unternehmens, der in diese Kennziffer einfließt, kann schwanken und von temporären Faktoren beeinflusst werden. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Unternehmen Rückstellungen auflöst. Dadurch steigt der Unternehmensgewinn, ohne dass man damit Rückschlüsse auf den Erfolg der eigentlichen Geschäftstätigkeit ziehen kann. Für den Anleger ist es daher sinnvoll, nicht nur nach dem “normalen” KGV einer Aktie zu fragen. Fragen Sie Ihren Finanzberater auch nach dem sogenannten Shiller KGV. Diese Kennziffer wurde 1988 von dem US-Ökonomen Robert Shiller erst-mals für den S&P 500 berechnet. Anders als beim “normalen” KGV bezieht sich der Aktienkurs beim Shiller-KGV nicht auf den aktuellen Unternehmensgewinn, sondern auf den durchschnittlichen Unternehmensgewinn der letzten zehn Jahre.
Growth
Um das KGV richtig einzuordnen, sollten Sie daran denken, dass an der Börse die Gewinne “von morgen” gehandelt werden. Es geht um Zukunftserwartungen. Hier wird spekuliert. Aus diesem Grund hat z. B. eine Tesla-Aktie ein KGV von gut 86. Die Aktie wäre also nach herkömmlichen Maßstäben eigentlich viel zu teuer. Doch Investoren spekulieren bei solchen Wachstumsaktien (Growth) darauf, dass sie mit neuen Technologien und Produkten einen Fuß in die Tür zu den Märkten von morgen haben. Wer als Anleger auf Wachstum setzen möchte, ohne sich mit den Details beschäftigen zu wollen, kann auch gezielt einen ETF wie z. B. den iShares Euro To-tal Market Growth Large UCITS (ISIN IE00B0M62V02) kaufen. Der Aktienkorb dieses ETF umfasst 53 Einzelwerte mit einem KGV von 30,81.
Value
Wer dagegen gezielt preiswert investieren möchte und dabei auf unterbewertete Aktien mit einem niedrigen KGV und KBV setzen möchte, wird oft auch als Value-Investor bezeichnet. Als prominentester Vertreter dieser Investmentphilosophie gilt Warren Buffet. Aber Vorsicht, niedrig bewertete Aktien müssen nicht unbedingt ein Schnäppchen sein. Ein niedriges KGV kann auch ein Hinweis darauf sein, dass der Markt dem Unternehmen keine großen Aussichten für die Zukunft einräumt. Auch für Anhänger dieser Strategie gibt es einfache und kostengünstige Anlagelösungen in Form von ETFs. Dazu gehört z. B. der MSCI World Value UCITS ETF 1C (ISIN IE00BL25JM42), der einen Korb von 400 Aktien umfasst. Als KGV dieses Portfolios wird ein Wert von 11,11 angegeben.
Kurz erklärt: Die wichtigsten Kennzahlen im Überblick
KGV
Kurs-Gewinn-Verhältnis ergibt sich aus dem Verhältnis aus dem aktuellen Aktienkurs und dem Unternehmensgewinn. Ein niedriges KGV gilt als Indiz dafür, dass ein Unternehmen günstig bewertet ist. Zugleich kann ein niedriges KGV auch darauf hindeuten, dass ein Unternehmen keine großen Wachstumschancen hat. Für die Berechnung verwenden Banken oft den für das laufende Jahr erwarteten Gewinn.
KBV
Beim Kurs-Buchwert-Verhältnis wird der Aktienkurs in Relation zum Buchwert (Vermögen minus Schulden) eines Unternehmens gesetzt. Die beiden Ökonomen Fama und French hatten amerikanische Aktien für die Zeit von 1963 bis 1990 untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die zehn Prozent mit dem niedrigsten KBV deutlich stärker an Wert zulegten (um 21 Pro-zent) als die Aktien mit dem höchsten KBV (um acht Prozent).
KCV
Das Kurs-Cashflow-Verhältnis setzt den Aktienkurs ins Verhältnis zum sogenannten Cashflow (Geldzufluss) innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Der Cashflow ist dabei die Differenz aus Zufluss und Abfluss liquider Mittel in dem Unternehmen. Der Cashflow sagt etwas über die Finanzkraft eines Unternehmens und damit seine Unabhängigkeit von Krediten aus. Als Faust-formel gilt, dass ein im Branchendurchschnitt niedriges KCV auf eine günstige Bewertung der Aktie hindeutet.
KUV
Die vierte Kennziffer, die Aufschluss gibt, ob eine Aktie eher teuer oder günstig gehandelt wird, ist das Kurs-Umsatz-Verhältnis. Hier wird der Aktienkurs multipliziert mit der Zahl der am Markt gehandelten Aktien in Relation zum Umsatz gesehen. Auch hier sollte die Kennziffer immer in Bezug zum Branchendurchschnitt gesehen werden.
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