Finanztipp Nr. 9 – Neue EU-Erbrechtsreform in Kraft – diese Änderungen müssen Sie beachten

Heute spricht Markus Frank Broza mit Notar Marcus Rensing von der Fachan-waltskanzlei Schirneker-Reineke & Rensing aus Bad Salzuflen.

Herr Broza:
Deutschland gilt spätestens seit dem Ende des 2. Weltkrieges als Einwanderungsland. Viele der heute teilweise in dritter bzw. vierter Generation hier ansässigen Bürger, haben jedoch ihre alte Staatsangehörigkeit behalten. Hinzu kommt, dass derzeit gut zehn Prozent aller Erbschaften in der Europäischen Union grenzüberschreitend sind. Tendenz stark steigend. Das bisher nach deutschen internationalem Privatrecht maßgebliche Staatsangehörigkeitsprinzip bei Erbschaften mit Auslandsbezug, spielt seit knapp einem Monat grundsätzlich keine Rolle mehr. Warum ist die neue EU-Erbrechtsreform für die Gruppe der Auslandsrentner, Pflegetouristen oder Karrieresuchenden im Ausland so wichtig?

Notar Rensing:
Seit dem 17.08.2015 gilt die EU-Erbrechtsverordnung. Danach gilt bei einem Todesfall nunmehr das Erbrecht des Staates, in dem der Erblasser seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte. Dabei kommt es nicht auf die Meldeanschrift an, sondern allein auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt. So wird z.B. ein Deutscher, der auf Mallorca den größten Teil des Jahres verbringt, seit dem 17.08.2015 nach spanischem Erbrecht beerbt. Deswe-gen sollte ein Jeder, der sich länger im EU-Ausland aufhält, für diesen Fall Vorsorge treffen.

Herr Broza:
Die beliebte deutsche Spezialregelung des Berliner Testaments ist von der neuen EU-Regelung besonders betroffen. Warum ist das so und welche sinnvollen Alternativen stehen insbesondere für Ehepaare mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten stehen zur Verfügung?

Notar Rensing:
Das deutsche Erbrecht weist viele Besonderheiten auf, die andere Rechtsordnungen in der EU nicht kennen. Z.B. ist ein deutsches „Berliner Testament“ bei Anwendung spanischen Rechts unwirksam, weil das spanische Recht kein gemeinschaftliches Ehegattentesta-ment zulässt. Die Rechtsfolge wäre eine Umdeutung unter Berücksichtigung des spanischen Erbrechts – mit einem garantiert nicht gewollten Ergebnis. Damit es nicht dazu kommt, kann man eine sogenannte Rechtswahl in dem Testament treffen, also das deutsche Erbrecht für den eige-nen Todesfall wählen. Diese Rechtswahl muss aber eindeu-tig und ausdrücklich erfolgen. Alternativ können Ehegatten auch einen Erbvertrag abschließen, der jedoch zwingend der notariellen Beurkundung bedarf.

Herr Broza:
Grundsätzlich ergeben sich somit aus der neuen EU-Erbrechtsreform, für innerhalb der EU befindliche Nachlässe, nunmehr weitreichende Standardisierungsprozesse. Die Gefahr einer unerwünschten Regelung nach ausländischem Erbstatut, sollte Mithilfe eines kompetenten Beraters sorgfältig überprüft werden. Dabei gilt wie so oft der Grundsatz: Ausnahmen bestätigen Regel. So greift die EU-Regelung z.B. nicht für Erbfälle mit Bezug zu EU-Ländern wie Dänemark, Irland und Großbritannien. Ferner sind sämtliche Erbvorgänge außerhalb des EU-Raumes individuell zu bewerten.
Herr Rensing, vielen Dank für das Gespräch.

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