Berufsunfähigkeit – Hauptsache, die Chemie stimmt

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung soll im Notfall die Zukunft absichern. Die Teilzeitklausel ist dabei eine wichtige Zutat, ohne die man nicht planen sollte

 

Mit Veränderung der Arbeitszeit ist es wichtig, auch einen Blick auf die private BU-Absicherung zu werfen. Veränderte Arbeitszeiten nahmen in den letzten Jahren stetig zu. Teilzeit, Viertagewoche, geringfügige Beschäftigung oder in der Corona-Pandemie vom Arbeitgeber eingeführte Kurzarbeit: Alles hat Auswirkungen auf die Berufsunfähigkeits ver-sicherung. Grobe Definition Im Versicherungsvertragsgesetz gibt es seit 2008 ein gesetzliches Leitbild zur Definition der Berufsunfähigkeit. Danach ist berufsunfähig, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann«. Der Gesetz-geber hat dabei einiges offengelassen. So fehlt es an Regelungen zu bestimmten Be-darfsgruppen wie Schülern oder Beamten, einer konkretisierten Dauer bezie-hungsweise einem Prognosezeitraum, etwa sechs Monate, oder einer Festlegung des BU-Grads wie z. B. 50 Prozent.

Fehlende Genauigkeit im Gesetz

Eine allseits gültige Definition, wann und unter welchen Voraussetzungen man exakt berufsunfähig ist, gibt es somit nicht. Die Versicherungsbedingungen sehen aber fast immer die Regelung vor, dass ein Leistungsanspruch gegeben ist, wenn man voraussichtlich über sechs Monate nicht mehr als 50 Prozent wie in gesunden Tagen in seiner zuletzt ausge-übten Tätigkeit arbeiten kann.

Ablehnungsgrund

Hier liegt bereits eines der größten Risiken, denn der häufigste Grund einer Leistungsablehnung ist das Nichterreichen dieses BU-Grads. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) werden wegen Nichterreichens des BU-Grads 46 Prozent aller beantragten Leistungen abgelehnt. Unbekannt und bis heute statistisch nicht erfasst ist, wie viele Antragsteller der abgelehnten Leistungsanträge wegen des Nichterreichens des 50-Prozent-BU-Grads einer verkürzten Arbeitszeit nach-gehen. Denn besonders Erwerbstätige mit verkürzten Arbeitszeiten sind betroffen und hier insbesondere versicherte Personen, die einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen, was etwa 75 Prozent aller Erwerbstätigen sind.

Verschiedene Gründe

Auch der Wunsch nach verringerter Arbeitszeit ist weiterhin hoch. Beschäftigte, die freiwillig verkürzt arbeiten, könnten von der Anfang 2019 eingeführten sogenannten Brückenteilzeit profitieren. Paragraf 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) ermöglicht eine zeitlich befristete Teilzeitarbeit mit einem Rückkehr-recht in die vorherige Arbeitszeit. Und das, ohne dass dafür bestimmte Gründe wie Kindererziehung oder Pflege vorliegen müssen. Gesetzliche Regeln zur Teilzeit Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis schon länger als sechs Monate besteht, der Arbeitgeber über 45 Arbeitnehmer beschäftigt, keine betrieblichen Gründe dagegensprechen und der Vertrag über die verringerte Arbeitszeit drei Monate vor Beginn der gewünschten Verringerung vereinbart wird. Die Reduzierung der Arbeitszeit ist auf drei bis fünf Jahre beschränkt. Auch wichtig: Dem Arbeitgeber muss die Arbeitszeitreduzierung zumutbar sein. Das bedeutet, dass nur einem von 15 Arbeitnehmern der Anspruch auf Brückenteilzeit gewährt werden kann, in Kleinbetrieben geht gar nichts. Sonderfall Kurzarbeit Kurzarbei­ter sind keine Teilzeitkräfte, aber Teil­zeitkräfte können Kurzarbeiter sein. Der Unterschied liegt darin, dass Kurzar beiter in der Regel durch den Arbeitgeber gebeten werden, nicht zur Arbeit zu er­scheinen oder zeitweise die Arbeits­zeit zu reduzieren. Dafür beantragt der Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld. So können häufig be triebsbedingte Kündigungen vermie­den werden. Teilzeit Bei einer Teilzeit liegt dage­gen eine vertragliche Vereinbarung vor, dass die Mitarbeiter der Firma zu redu­zierten Stunden zur Verfügung stehen. Zu den Teilzeitbeschäf tigten gehören auch geringfügig Beschäftigte, für die einige Sonder regelungen gelten. Berufsunfähig in Teilzeit Was passiert nun, wenn Versicherte während der Teilzeit oder verringerten Arbeitszeit durch Krankheit, Unfall oder Kräfteverfall berufsunfähig werden? Prin­zipiell wird laut Versicherungsbedingun­gen auf die zuletzt ausgeübte Tätig­keit in gesunden Tagen geprüft.

Stundenzahl entscheidend

Sind Versicherte absehbar sechs Monate nicht mehr als zu 50 Pro­zent in der Lage, diese Beschäftigung aus­zuüben, sind sie berufsunfähig. Trifft die Berufsunfähigkeit Vollzeitbeschäftigte, dann sind es nicht mehr als vier Stunden, die diese bei einem vor­
her absolvierten Achtstundentag noch arbeiten könnten. In der Teil­zeittätigkeit bedeutet es, dass man zu­künftig nicht mehr als zwei Stunden arbeiten kann, wenn zuvor vier Stunden gearbeitet wurden. Man müsste also folg­lich noch kränker sein als für einen gesetz­lichen Anspruch auf eine volle Erwerbs­minderungsrente. Der greift schon, wenn man weniger als drei Stunden pro Tag ar­beitsfähig ist. Um eine Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen zu erfüllen, muss man als Teilzeitkraft wirklich sehr krank sein. Bei Vollbeschäftigten müsste die Erkrankung, rein nach Stunden ge­rechnet, gar nicht so schwerwiegend sein. Weniger Arbeit Die Gründe für eine Teilzeittätigkeit sind sehr unterschied­lich. Besonders nachteilig ist, wenn man unfreiwillig in Teilzeit beschäftigt ist, das waren 2019 8,6 Prozent aller Be­schäftigten. Nicht nur Berufseinsteiger sind von einer unfreiwilligen Teilzeitbe­schäftigung betroffen, sondern alle Al­tersklassen. Besonders häufig gibt es Teilzeitverträge im Handel, im Verkehr, im Gastgewerbe sowie im Dienstleis­tungsbereich. Für eine Teilzeitbeschäf­tigung entscheiden sich etwa 24 Prozent der Angestellten wegen einer Kinder­ oder Pflegebetreuung und 14 Prozent aus sonstigen fami liären Gründen. Der größte Teil, rund 38,7 Prozent der Teil­zeitbeschäftigten, wünscht sich aus an­deren Gründen keine Vollzeittätigkeit, beispielsweise um mehr Freizeit zu ha­ben. Weitere 10,6 Prozent der Beschäftigten verbinden die Reduzierung der Arbeitszeit mit einer Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme.

Das Berufsbild ist entscheidend

Grundsätzlich gilt auch bei Teilzeit, dass immer das Berufsbild der zuletzt ausgeübten Tätigkeit berücksichtigt wird, soweit diese nicht vorübergehend ist. Vorübergehend bedeutet in einem solchen Fall, dass die ausgeübte Tätigkeit nur eine Unterbrechung ist und die Absicht besteht, in den letzten Vollzeitberuf zurückzukehren. Auch die Lebensstellung wird dadurch nicht verändert. Das könnte z. B. die Kinderbetreuung oder auch eine Arbeitslosigkeit begründen. Längere Teilzeit Bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Unterbrechung vorübergehend ist, und wurde die Arbeitszeit bewusst reduziert, wird es ebenfalls sehr schwer sein, den Anspruch auf eine Anerkennung der versicherten Berufsunfähigkeitsrente zu begründen. Auch wenn der Beruf auf-gegeben oder die Qualifikation aufgrund einer lange reduzierten Tätigkeit beeinträchtigt wurde, wird die Beweisführung ebenfalls sehr schwer sein. Da die meisten Beschäftigten nicht wegen der Kinderbetreuung oder der Pflege von Familien angehörigen in Teilzeit sind, betrifft diese Teilzeitfalle einen Großteil der BU-Versicherten. Ausweg Teilzeitklausel Auf dieses Phänomen haben bisher nur wenige Versicherungen reagiert. Seit Kurzem bieten erste Versicherer Berufsunfähigkeitsversicherungen mit Teilzeitklausel an. Doch die Versicherungsbedingungen müssen von Interessierten genau verglichen werden. Hier sollten Sie das Gespräch mit Ihrem Berater suchen.

Vergleich der Teilzeitklauseln

Eine echte Teilzeitklausel berücksichtigt die Höchstarbeitszeit, die während der Vertragslaufzeit nachweisbar erreicht wurde. Tritt während der Teilzeit ein Berufsunfähigkeitsfall ein, wird diese dann berücksichtigt. Eine unechte Teilzeitklausel berücksichtigt nicht die Höchstarbeitszeit, was sich sehr nachteilig auswirken kann, insbesondere da diese in der Regel auch noch anlassbezogen ist. Zukunftsplanung Teilzeitklauseln in der Berufsunfähigkeitsversicherung sind eigentlich für alle interessant. Besonders Schüler, Auszubildende und Angestellte sollten die Teilzeitklausel in Betracht ziehen, raten Experten. Doch auch für andere Gruppen sind Teilzeitklauseln interessant. Auch Selbstständige, etwa selbstständige Büromanagerinnen, die für verschiedene Unternehmen arbeiten, Sicherheitskräfte oder Kraftfahrer mit Arbeitszeitnachweisen könnten davon profitieren, wenn sie fixierte Arbeitszeiten vereinbart haben. Für Beamte ist sie in der Regel nur dann sinnvoll, wenn sie den Beamtenstatus aufgeben und in ein Angestelltenverhältnis wechseln wollen. Bei den neuen Policen profitieren besonders Studenten von der Teilzeitklausel. Sie greift schon dann, wenn die Studierenden nach ihrem Abschluss keine Vollzeitstelle finden. Denn der Versicherer berücksichtigt bereits die Studienzeit als 40-Stunden-Woche, die bei einer anschließenden Teilzeit angerechnet wird. Begründete Verkürzung Achtung: Bei Abschluss einer BU-Versicherung mit Teil-zeitklausel darauf achten, dass auf das Vorschreiben von Anlässen verzichtet wird.

Auf Anlässe verzichten

Die Gründe für eine Reduzierung der Arbeitszeit können sehr vielfältig sein. Schränkt das Versicherungsunternehmen die Teilzeitklausel auf wenige Anlässe ein, beispielsweise auf Elternzeit oder Pflege-bedürftigkeit, bleiben viele andere Gründe für eine Reduzierung der Arbeitszeit unberücksichtigt. Saisonarbeit und Krisen Das können körperliche oder geistige Belastungen sein, fehlende Arbeitsangebote, Saisonarbeit oder Krisensituationen oder schlicht die Entscheidung für eine bessere Work-Life-Balance.

Antragstellung Wer vorhat, in naher Zukunft seine Arbeitszeit zu reduzieren, sollte wenn möglich noch zum Zeitpunkt der Vollzeittätigkeit einen Vertragsabschluss anstreben. So kann man von der Klausel nach der Reduzierung in einem Leistungsfall profitieren.  Der Grund dafür: Versicherte, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits in Teilzeit sind, können erst von der Teilzeitklausel profitieren, wenn sie später in Vollzeit tätig werden und ihre Arbeitszeit dann wieder reduzieren. Wichtig ist dabei auch: Versicherte, die bereits einen BU-Vertrag haben, sollten je nach Gesundheitszustand, Beruf und Restlaufzeit checken, ob für sie ein Wechsel der BU-Versicherung sinnvoll ist. Auch hier ist es ratsam, die Expertise eines Beraters zu nutzen, denn für Laien sind die Vor- und Nachteile eines Wechsels oft nicht sofort auf dem ersten Blick erkennbar. Experten um Vergleich bitten Gleichzeitig sollte man sich genau informieren, wer die Informationen zur BU-Versicherung anbietet. Vor allem Online-Portale und Vergleichsangebote decken die Details der BU-Versicherungen nicht ab. Haushalt als Arbeit Versicherer, die nur konkretisieren, dass sie bei Teilzeitjobs die Haushaltstätigkeiten berücksich-tigen, haben eine unechte Teilzeitklausel. Sie berücksichtigen die Arbeitszeit vor der Reduzierung nicht. Zudem beschränkt sich dies auch nur auf solche Versicherungsnehmer, die anerkannte Haushaltstätigkeiten laut Bedingungen erfüllen. Das ist besonders nachteilig, da ungewiss ist, ab wann Haushaltstätigkeiten auch als Berufsbild anerkannt und berücksichtigt werden, sofern diese nicht genauer beschrieben sind.

 

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